Amerika Haus: Ein „A“ schreibt Geschichte

Es ist wieder zugänglich. Endlich! Denn es ist eigentlich seine ureigene Bestimmung, Menschen zusammenzubringen, um den Dialog und kulturellen Austausch zu fördern. Frisch gestylt hat das denkmalgeschützte Amerika-Haus in der Hardenbergstraße seine Türen für die Öffentlichkeit wieder geöffnet – dank einer privaten Berliner Foto-Galerie, die hier ihr neues Zuhause gefunden hat.

Es ist wieder ein offenes Haus. Endlich! Denn es ist eigentlich seine ureigene Bestimmung, Menschen zusammenzubringen,um den Dialog und kulturellen Austausch zu fördern. Frisch gestylt hat das denkmalgeschützte Amerika Haus in der Charlottenburger Hardenbergstraße seine Türen für die Öffentlichkeit wieder geöffnet – dank einer privaten Berliner Foto-Galerie, die hier ihr neues Zuhause gefunden hat.

Das frisch sanierte Amerika Haus am Bahnhof Zoo. Foto: Sven Hoch
Das frisch sanierte Amerika Haus am Bahnhof Zoo. Foto: Sven Hoch
Das Berliner Amerika Haus ist wie vergleichbare Einrichtungen in vielen westdeutschen Städten ursprünglich als Kultur- und Informationszentrums der Vereinigten Staaten errichtet worden. In Auftrag gegeben hatte das Gebäude im Herzen der Westberliner City die United States Information Agency (USIA). Aufgabe dieser US-Behörde war es, amerikanische Weltanschauung und Werte in die Welt zu tragen und das möglichst im Dialog mit den Menschen vor Ort. Dazu bediente sie sich vielfältiger Medien: in West-Berlin betrieb die USIA beispielsweise den Radiosender RIAS (Rundfunk im Amerikanischen Sektor) und eine Bibliothek.

Gerade in der Front- und Inselstadt war – so kurz nach der Berlin-Blockade – die enorme symbolische Bedeutung dieses Projekts schon in der Planungsphase allgegenwärtig. Ein solches Gebäude galt nicht nur als überfällige Antwort auf das bereits eröffnete Haus der Kultur der Sowjetunion im Ostsektor der Stadt. Das „Amerika-Haus“ sollte auch nichts weniger als den gesellschaftlichen Gegenentwurf zur gerade untergegangenen Nazi-Diktatur und zum umliegenden Sozialismus stalinistischer und ulbrichtscher Prägung verkörpern. Seine Architektur musste, das war klar, nach außen wie innen die westlichen Ideale von Demokratie und Freiheit demonstrieren.

Das Amerika Haus hatte die Aufgabe, darüber zu informieren was Amerika ausmacht, wie wir leben, wofür wir stehen. In den Zeiten des kalten Krieges waren seine Aktivitäten das feierliche Zeichen für das amerikanische Versprechen, diese Stadt niemals aufzugeben, komme was da wolle. (William R. Timken, US-Botschafter,2006)

Für den Neubau verpachtete der Berliner Senat den Amerikanern Ende 1952 ein Grundstück in bester Lage im Herzen der City West direkt am Bahnhof Zoo. Mit Walter Gropius schien der ideale Architekt für solch ein Bauwerk schnell gefunden. „Nackt und strahlend aus innerem Gesetz heraus ohne Lügen und Verspieltheiten“ sollen seine Bauten wirken, beschrieb Gropius sein Gestaltungsprinzip, das perfekt auch zu diesem Projekt passte. Er galt als einer der Väter der modernen Architektur, war zudem gebürtiger Berliner, früh vor den Nazis in die USA emigriert und mittlerweile amerikanischer Staatsbürger. Allein seine insbesondere von Berliner Seite als exorbitant empfundenen Honorarforderungen machten seine Verpflichtung zunichte.

Die zweite Wahl für die Konzeption des Amerika-Hauses war das Chicagoer Büro Skidmore, Owings and Merrill (SOM). Renommiert, erfahren, amerikanisch: das Architektenteam um Gordon Bunshaft wollte mit seinen Bauten meist hoch hinaus. Und es war auch in Deutschland für die US-Regierung bereits aktiv: z.B. in Bremen und Düsseldorf zeichnete es Anfang der 1950er für Generalkonsulate und Wohnanlagen für amerikanische Bedienstete verantwortlich. Diese Gebäude waren allerdings typisch für die meisten Nachkriegsmoderne-Bauten: eher funktional als attraktiv. Für Berlin allerdings legten sich die SOM-Ingenieure mächtig ins Zeug: ihr Entwurf glänzte mit einer spektakulären Glasfassade. Das gefiel der US-Regierung. Die aber wechselte: die Demokraten verloren die Präsidentschaftswahlen, 1953 zog der Republikaner Eisenhower ins Weiße Haus. Dem waren die SOM-Pläne zu überkandidelt – er legte das ganze Projekt erst einmal auf Eis.

Ab 1955 begann die Interbau – die Internationale Bauausstellung 1957 (IBA 57) – langsam Gestalt anzunehmen. Mit moderner Architektur wollte der Westen im Hansaviertel (Tiergarten) ein Zeichen setzten gegen den sozialistischen Zuckerbäckerstil an der Ost-Berliner Stalinallee. Die Amerika-Haus-Idee passte da architektonisch und ideologisch bestens rein, so dass man das Projekt einfach ins Programm der IBA 57 aufnahm.

Ein Amerika Haus, das war es, was in der Nähe des Affenhauses noch gefehlt hatte! (Neues Deutschland vom 12. März 1955)

Nun kam Bruno Grimmek ins Spiel. Der damalige Leiter des Berliner Hochbauamtes erhielt den Auftrag, dem Amerika-Haus endlich eine Form zu geben. Obwohl somit nur dritte Wahl, löste der Senatsarchitekt die Aufgabe brillant. Licht und offen, repräsentativ und doch jedermann einladend: sein Entwurf für das US-Kultur- und Infocenter vereinte funktionale Klarheit und ästhetische Ausstrahlung in ansehnlicher Weise. Ein graziles, zweistöckiges Gebäude ganz im Stil der internationalen Moderne mit viel Glas für Helligkeit und Transparenz. Blickfang ist das wasserblaue Mosaik über dem Hauptportal mit seiner stilisierten US-Flagge und dem Schriftzug „Amerika-Haus“, das zum Markenzeichen des Gebäudes avancieren sollte.

Grimmeks Visionen folgten die Taten. Schon im Oktober 1956 konnte das Richtfest gefeiert werden. Am 5. Juni 1957 dann – rechtzeitig zur IBA – die feierliche Eröffnung. Die Berliner sollten hier wiederentdecken, dass Informationsfreiheit Grundvoraussetzung für Freiheit ist und die Vorzüge einer demokratischen Gesellschaft schätzen lernen. „Public diplomacy“ war die Maxime, keine platte Propaganda. Die Nachkriegsberliner sogen das für alle zugängliche Angebot mit Begeisterung auf. Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und Filmvorführungen im später im Untergeschoss hinzugefügten Kinosaal waren stets für ein breites Publikum bestimmt. Hauptattraktion war aber die bestens bestückte Bibliothek. Millionen gingen über die Jahrzehnte hier ein und aus.

Das Amerika Haus war ein strahlendes Licht des Dialogs. (William R. Timken, US-Botschafter, 2006)

Gerade in der Bücherei offenbarte sich aber bald, dass Meinungsfreiheit auch bei den Amerikanern limitiert war: alles was für Uncle Sam´s intellektuell zeitweise überforderte Zensoren irgendwie nach Kommunismus oder Sozialismus roch, verschwand schnell aus den Regalen. In den 1960er und 70er Jahren kam es dann noch schlimmer. Das Amerika-Haus steht im Zentrum unzähliger Anti-Vietnamkriegsdemonstrationen. Statt Argumente fliegen Eier, Farbe und Molotow-Cocktails. Das emblematische Gebäude mutiert vom Freiheitssymbol zum Hassobjekt der Amerikafeinde.

Trotzdem blieb das Gebäude stets für Besucher geöffnet, das umfangreiche Kulturprogramm bestehen. Das war übrigens allen Unkenrufen zum Trotz weltoffen, politisch i.d.R. ausgewogen, nie agitatorisch. Der Fall der Mauer leitete dann das Ende der für Westberlin über Jahrzehnte so bedeutenden Institution ein. Zwar beglückte man vom „Amerika-Haus“ zunächst noch die fünf neuen Länder mit einer Reihe von Veranstaltungen. Mit der Wiedervereinigung sahen dann aber nicht nur die US-Regierungsmitglieder die Mission des „Amerika-Hauses“ als „accomplished“ an. De facto spielte die Einrichtung – nun von der Kulturabteilung der US-Botschaft geführt – im politischen und gesellschaftlichen Leben des wieder zur deutschen Hauptstadt erkorenen Berlins eine immer unbedeutendere Rolle.

Den endgültigen Garaus für interkulturelle Aktivitäten, die diesen Namen noch verdienten, brachten Ende der 199er Jahre die Attentate auf US-Einrichtungen in Afrika und die verheerenden Terroranschläge vom 21. September 2001 in New York und Washington. Aus dem einst offenen Haus wurde nun ein scharf bewachter, hermetisch abgeriegelter Käfig, dessen Gitter nur noch durchlässig war für wenige Auserwählte. Am 25. September 2006 war definitiv Schluss: das „Amerika-Haus“ schloss seine Pforten, das Gebäude fiel zurück ans Land Berlin.

Wir streben eine kulturwirtschaftliche Nachnutzung mit transatlantischem Bezug an. (Holger Lippmann, Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds, 2008)

Das hatte so gar keine Ideen geschweige denn konkrete Pläne, was es mit dem Bau anfangen sollte oder wollte. Eine Handvoll Lokalpolitiker brachten es als Standort für ein ominöses Westberlin-Museum ins Spiel, eine paar private Initiativen verliefen im Sande. Die Regierenden stellten sich schemenhaft Nutzer vor, die irgendetwas „mit Kultur“ oder „mit Wirtschaft“, am Besten auch noch irgendwie mit Amerika zu tun hatten. Unter diesen vagen Vorgaben fand der Liegenschaftsfonds naturgemäß niemanden, der das unter Denkmalschutz stehende Gebäude kaufen oder mieten wollte. Abgesehen von kurzen Zwischennutzungen als Ausstellungs- oder Event-Location stand das einst glänzende „Amerika-Haus“ so jahrelang leer.

Erst Ende 2012 kam wieder Bewegung in die Sache. Mit der angesehenen, auf Fotografie spezialisierten Privatgalerie „C/O Berlin“, die ihren angestammten Standort in Berlin-Mitte aufgeben musste, gab es endlich einen ernsthaften Interessenten, an dessen Nutzungsabsichten auch die Stadtoberen Gefallen fanden. Ein langfristiger Mietvertrag mit der Galerie wurde geschlossen. Im Sommer 2013 begannen – stets unter Abstimmung mit dem Denkmalschutz – die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen.

Das (…) Amerika Haus zeigt sein ganzes Potential – eine lichte Filigranität und einzigartige Transparenz. (C/O Berlin Nr. 6 vom Oktober 2014)

Bei den Arbeiten kamen viele im Laufe der Jahre überbaute oder veränderte Originaldetails aus den 1950ern wie Treppengeländer, Mosaikfliesen, Solnhofener Plattenkalk oder terracottafarbene Klinker zutage. Sie wurden behutsam in die Neugestaltung integriert. Im entkernten Gebäude entstanden zeitgemäße Ausstellungsräume, licht und schnörkellos. Genug Platz für einen Buchladen und eine Cafeteria ist geblieben. Hochwertige Klima- und Beleuchtungstechnik sorgt für beste Ausstellungsbedingungen.

Die Fassade wurde sorgfältig gesäubert, ausgebessert und neu gestrichen. Im einstigen Kinosaal war man auf ein mysteriöses „A“ gestoßen. Es sollte der erste Hinweis auf das ursprüngliche Schriftdesign an der Fassade. Heute künden über dem Eingang die elf Lettern „Amerika Haus“ wieder im originären Design vom neuen Leben in und um diese Mauern.

Links der Schriftzug, wie in die meisten Berliner seit Jahren an der Außenfassade des Amerika Hauses kennen. Es ist nicht der ursprüngliche: ein vereinzeltes "A", gefunden zwischen allerlei Schutt, inspirierte C/O Berlin zur Rekonstruktion der originalen Schrift. Mit Fotos und akribischer Puzzlearbeit gelang das Kunststück, so dass - wie auf dem rechten Bild zu sehen - heute wieder die Lettern im Design der 1950er die Fassade des Amerika Hauses zieren. Quelle: C/O Berlin, Nr. 6 vom Oktober 2014. Foto: Sven Hoch
Links der Schriftzug, wie in die meisten Berliner seit Jahren an der Außenfassade des Amerika Hauses kennen. Es ist nicht der ursprüngliche: ein vereinzeltes „A“, gefunden zwischen allerlei Schutt, inspirierte C/O Berlin zur Rekonstruktion der originalen Schrift. Mit Fotos und akribischer Puzzlearbeit gelang das Kunststück, so dass – wie auf dem rechten Bild zu sehen – heute wieder die Lettern im Design der 1950er die Fassade des Amerika Hauses zieren. Quelle: C/O Berlin, Nr. 6 vom Oktober 2014. Foto: Sven Hoch

Offiziell gefeiert wurde die Wiederauferstehung des Komplexes gestern (30. Oktober 2014) am Nachmittag. Dabei ging es zu wie zu besten Zeiten: Berliner und Nichtberliner standen Schlange vor dem wasserblauen Portal in der Kantstraße. Das Amerika Haus, so scheint es, zieht die Menschen wieder an, bringt sie zusammen, fördert den Dialog über Kunst, Kultur und Zeitgeschehen. Und das ist ja von jeher seine eigentliche Bestimmung.

Großer Andrang am Amerika Haus in der Charlottenburger Kantstraße. Hunderte Menschen warteten geduldig, um einen Blick ins Innere des sanierten Gebäudes und auf die gleich vier Ausstellungen zu werfen, mit der die Fotogalerie C/O Berlin die Wiedereröffnung zelebriert. Foto: Sven Hoch
Großer Andrang am Amerika Haus in der Charlottenburger Kantstraße. Hunderte Menschen warteten geduldig, um einen Blick ins Innere des sanierten Gebäudes und auf die gleich vier Ausstellungen zu werfen, mit der die Fotogalerie C/O Berlin die Wiedereröffnung zelebriert. Foto: Sven Hoch

Linktipp:
Website der Fotogalerie „C/O Berlin“ im Amerika Haus

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